Kapelle

Unsere Kapelle

Fotos: 1. Reihe: ab 2014, 2. Reihe: um 1940
Das Schwarz-Weiß-Bildmaterial mit Schreibmaschinen-Beschriftung stammt vom: Bildarchiv Foto Marburg

Aus: Die Kunstdenkmäler des Landkreises Sonthofen, von Michael Petzet:
Am 26. September 1445 weihte der Konstanzer Weihbischof Johannes die neu erbaute Kapelle mit einem Altar zu Ehren Mariens und der Heiligen Wendelin und Anna. Am 20. Oktober 1474 stellten verschiedene römische Kardinäle für Untermühlegg einen Ablassbrief aus und am 7. April 1518 bat Graf Hugo von Montfort den Konstanzer Bischof die von ihm und der Gemeinde Untermühlegg gestiftete Frühmesse in der Wendelinskapelle auf dem "Wannenbuchel" zu bestätigen.
Der gotische Bau wurde 1706 nach Westen verlängert und gleichzeitig mit einer allgemeinen Renovierung die Fenster erweitert, neue Decken eingezogen und die Sakristei erneuert.
Für die Blüte der Wallfahrt zum Hl. Wendelin im 17. bis 18. Jahrhundert spricht, neben den Votivbildern, die am 18. Juni 1742 erteilte Meßerlaubnis für Gottesdienste im Freien. 1770/71 malte der Maler Ulrich Rietzler das Türmchen, 1792 erhielt die Sakristei ein neues Türgerüst, 1802 wurde die Kapelle neu verputzt.

Baubeschreibung:
Der eingezogene, dreiseitig geschlossene Chor, hat an der Ostwand noch ein zugesetztes Spitzbogenfenster. Dagegen sind die Fenster and den Schräg- und auf der Südseite rundbogig erweitert. Der Chorbogen zeigt an der Südostecke im Ansatz noch eine kurze Fase, während der abschließende Rundbogen neu aufgemauert wurde. Gleichzeitig wurden 1706 die Fenster im Schiff ausgerundet und mit einer Verlängerung von  5m nach Westen um eine dritte Rundbogenfensterachse erweitert.
Brettertonnen im Chor mit Deckleisten, fünfseitig gebrochen und gegen den dreiseitigen Schluss abgerundet, im Schiff segmentbogig ohne Deckleisten.
An der geraden Emporenbrüstung von 1705 zwischen je einem doppelten Zahnschnitt oben und unten 13 bemalte Hochrechteckfelder; im Deckbrett eingeritzt: F R 1794. Unter der Empore zwischen zwei Stichbogenfenstern mit einfachen Durchsteckgittern der Eingang (Westen), eine rautenförmig aufgedoppelte Flügeltüre mit barockem Beschläg in rechteckigem, hölzernem Türgerüst. Auf der Chor-Nordseite in rechteckiger, auf der Innenseite gefaster Holzfassung Eingang in die Sakristei.
Unter einer einfachen Täfeldecke des 18. Jahrhunderts ein Schlitzfenster gegen Osten, ein vergittertes Rechteckfenster mit stichbogigem äußeren Gewände gegen Norden, eine Rechtecktür mit Sperrbalken und Riegelkorb gegen Westen.
Einheitlicher Sparrendachstuhl (um 1706), die Sparren über den auf Höhe der Tonne liegenden Kehlbalken durch Kreuzbänder abgestreift. Am Ansatz der Verlängerung ein Teil eines spätgotischen Binders mit angeblatteten Kopfbändern erhalten. Auf der Westseite des verschindelten, über die Sakristei abgeschleppten, einheitlichen Satteldachs über quadratischem Sockel ein verblechter Dachreiter mit abgeschrägten Ecken und Zwiebelhaube. Verputztes Roll- und Bruchsteinmauerwerk.
Fotos: 1. Reihe: ab 2014, 2. Reihe: um 1940
Das Schwarz-Weiß-Bildmaterial mit Schreibmaschinen-Beschriftung stammt vom: Bildarchiv Foto Marburg


Hochaltar 1684, datiert durch die anlässlich der Neufassung 1872 erneuerte Inschrift an der Predella.
Mit dem geschnitzten Allianzwappen der Grafen Leopold Wilhelm von Königsegg (1666-1694) und seiner ersten Gemahlin Maria Polyxena Gräfin von Schraffenberg steht der Altar in der Nachfolge der 1672/73 unter dem gleichen Grafen von dem Immenstädter Tischmacher Matthias Roth errichteten Seitenaltäre der Fischinger Frauenkapelle.
Neu marmorierter Holzaufbau mit gleichzeitig neugefassten Holzfiguren. Zwischen zwei gedrehten Säulen mit Weinlaub in rundbogigem Rahmen die Muttergottes auf der Mondsichel im Strahlenkranz, die Konsole mit Engelskopf. Seitlich auf Konsole mit Engelskopf unter Volutenstegen links Hl. Wendelin, rechts Hl. Joachim. Im zweisäuligem Auszug mit Engelskopfanschwüngen eine Anna Selbdritt, auf den seitlichen Segmentgebelstücken zwei sitzende Engel, oben zwischen zwei sitzenden Putten Statuette des Erzengels Michael mit der Seelenwaage. Statt der Marienfigur vorhanden ein Altarblatt der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Muttergottes mit der Hl. Anna Selbdritt rechts und Hl. Wendelin links; Öl auf Holz.
Seitenaltäre, gegen 1710, nach der Verlängerung der Kapelle
Eine Neufassung der Altäre, wohl auch des Hochaltars, nach KR 1763/64.
Der gleichzeitig mit dem Hochaltar im 19. Jahrhundert neu marmorierte Holzaufbau, viersäulig mit gesprengtem Segmentbogengiebel, im Auszug mit geschwungenen Giebelstücken wiederholt.
Altarblätter (Öl auf Leinwand) 1768 vom Immenstädter Maler Joseph Herz, nördlich Hl. Johannes der Täufer in Landschaft, südlich Hl. Josef mit dem Jesuskind.
In den Muschelnischen des Auszugs Schnitzstatuetten aus der Zeit des Altars, nördlich Mutter Anna mit Maria, südlich Hl. Wendelin.
Emporenbrüstung, 1873, mit 13 Feldern, Christus mit den zwölf Aposteln.
Gestühl, 1768/69, von Schreiner Thomas Schmidt aus Kierwang
Opferstock, 17/18. Jahrhundert, mit Eisenblech beschlagen
Kreuzwegstationen, mittleres 19. Jahrhundert, Franz Speiser aus Bolsterlang zuzuschreiben
Gemälde, gegen 1800: Hl. Ottilia, in klassizistischem Rahmen mit Eckrosetten
Gemälde, erste Hälfte 19. Jahrhunderts: Hl. Wendelin inmitten seiner Herde,
Prozessionsfahne, mittleres 19. Jahrhundert, mit Gemälde Hl. Wendelin, bzw. Hl. Anna.
Holzfigur, um 1450/60: Kruzifix (neue Fassung)
Holzfigur, Ende 18. Jahrundert: Kruzifix (neue Fassung)
Altarkreuze:
Schnitzkruzifix, 1785/86, mit Schmerzensmutter, Volutensockel
Kreuz, um 1760/70, Fuß und Kreuzenden mit neu vergoldetem, in Rocaillen getriebenen Blech beschlagen, Korpus gegossen.
Holzarbeiten:
Vergoldeter Kreuzpartikel, wohl spätes 17. Jahrhundert, mit Dreipassenden
Zwei vergoldete Schnitzleuchter, um 1700, mit Engelsköpfen am Nodus
Schmiedeeisernes Gitter, wohl noch spätes 17. Jahrhundert, im Chorbogen mit zugehörigem Schloss.
Seitenteile rautenförmig durchgesteckt, Mittelteil und Bekrönung aus verschlungenen Spiralen.
Votivbilder, ab 1684, erinnerten an die Verehrung des Hl. Wendelin in Untermühlegg vom 17. bis ins 19. Jahrhundert - fielen jedoch leider fast alle einem Kunstraub in den 70er Jahren zum Opfer.
Ehemaliges Vortragekreuz, zweite Hälfte 12. Jahrhundert: Korpus in Bronzeguss, das hölzerne Kreuz „modern“. Der bärtige Kruzifixus ohne Krone, mit ornamentalen Gravierungen im Lendentuch, stilistisch einem Vortragekreuz aus dem Klarissinnenkloster in Meran nahe stehend.
Ostensorium des späten 15. Jahrhunderts,
Sechspassfuß mit Kissennodus, das Zylinderglas mit dem Reliquienpartikel der Hl. Anna, gerahmt von gegossenen Strebepfeilern, mit Fialen, davor zwei Engel mit „modern“ erneuerten Schriftbändern. Über einem Kranz lilienförmiger Zinnen als Bekrönung ein an den Schmalseiten zweiseitig abgeschrägter Spitzhelm.
Eine Zutat des späten 17. - oder frühen 18. Jahrhunderts sind die Auflagen in vergoldetem Silberblech an Nodus und Helm, getriebene Engelsköpfe und Frucht- oder Blütengehänge mit rautenförmigen, farbigen Glasstückchen, das Zeichen P X des Helmes in Emaille, rot auf blauem Grund
Kelch,1685-1700, am Sechspassfuß zwischen getriebenen Blättern leere Medaillons, sechseckiger Vasenmodus, glatte Cupa.
Kelch, spätes 17. Jahrhundert, glatte Form mit Sechspassfuß und sechseckigem Vasenmodus, Silber vergoldet.
Das Schwarz-Weiß-Bildmaterial mit Schreibmaschinen-Beschriftung stammt vom: Bildarchiv Foto Marburg
Die Votiv-Tafeln fielen einem Kunstraub in den 70er Jahren zum Opfer, die übrigen Kunst-/Sakral-Gegenstände werden nicht mehr in der Kapelle verwahrt!

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Kunsthistorische Würdigungen
Dr. Michael Schmid, Diözesankonservator:
"Die besondere Bedeutung der Kapelle liegt darin begründet, dass diese reichhaltige Ausstattung offenbar seit einer belegten großen Renovierungsmaßnahme von 1872 nicht mehr verändert wurde und somit eine besondere Chance bietet für eine sorgsame Konservierung und Pflege dieses historisch einzigartig dichten und kostbaren ländlichen Sakralbaus."

Cornelia Hagn, Landesamt für Denkmalpflege:
"Die Kapelle in Untermühlegg ist ein Kleinod, die geographische Situation wie auch das Innere betreffend. Ich muss gestehen, es fällt mir kein Vergleichsbeispiel ein, wo wir eine derart gut erhaltene Fassung haben, die vor 140 Jahren aufgetragen wurde und damit absolut zu bewahren ist!"

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